Jeder Schuß ein Treffer!
oder
Ein Treffer würde mir schon reichen...

Die Mathematik verfügt über leistungsfähige Werkzeuge, bei aufeinanderfolgenden zufälligen Ereignissen die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, ob jedes dieser Ereignisse ein besonderes ist. Um in Erfahrung zu bringen, ob wenigstens ein besonderes Ereignis auftritt, muß man sich eines Tricks bedienen.

Auch wenn es im Alltag als selbstverständlich erscheint, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Folgende anwendbar wird:

Die Wahrscheinlichkeit eines einzigen besonderen Ereignisses berechnet man, in dem man die Anzahl dieser besonderen Ereignisse durch die Gesamtanzahl möglicher Ereignisse teilt. Beispielsweise beträgt die Wahrscheinlichkeit, eine 4 zu würfeln, 1/6 (da ein Würfel 6 gleich wahrscheinliche Seiten, aber nur eine 4 aufweist). Die Wahrscheinlichkeit, aus einem Skatspiel ein As zu ziehen, beträgt 4/32 = 1/8. Letzteres zur Anschaulichkeit:

Da alle Farben gleich aufgebaut sind, möge der Einfachheit halber ab jetzt das Skatspiel auf eine einzige Farbe (und damit 8 Karten mit einem einzigen As) reduziert werden. Die Wahrscheinlichkeit, bei mehreren aufeinanderfolgenden Ereignissen jedesmal ein besonderes Ereignis zu beobachten, erhält man durch Multiplikation der Einzelwahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinanderfolgenden Würfen jeweils eine 4 zu würfeln, beträgt 1/6 * 1/6 = 1/36. Zur Anschaulichkeit seien die Würfe aufgeführt:

Ein Treffer unter 36 möglichen Kombinationen, das entspricht der Erwartung. Um die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, bei zwei aufeinanderfolgenden Versuchen aus einem Skatspiel jeweils ein As zu ziehen, muß man zuerst festlegen, ob die erste gezogene Karte (hoffentlich ein As, sonst könnte man direkt abbrechen) wieder in das Kartenspiel gesteckt werden soll. Da die historischen Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung tatsächlich im Glücksspiel liegen, heißt diese Möglichkeit mit Rückgabe. Falls ja, berechnet sich die Wahrscheinlichkeit wie beim Würfeln, sie beträgt 1/8 * 1/8 = 1/64. Zur Anschaulichkeit auch hier:

Beim Ziehen ohne Rückgabe verhält es sich ein bißchen anders: Falls die erste Karte kein As war, kann der Versuch abgebrochen werden, da die Vorgabe schon nicht mehr erreicht werden kann. Falls doch, steht jetzt ein Kartenspiel mit nur noch 31 Karten und 3 Assen zum Ziehen zur Verfügung. Die Gesamtwahrscheinlichkeit für zwei Asse beträgt also 4/32 * 3/31 = 3/248 (also rund 1/83) und ist damit ein ganzes Stück weniger wahrscheinlich als beim Ziehen mit Rückgabe. Auf eine graphische Darstellung verzichte ich, da nach dem ersten Ziehen ohne Rückgabe nicht mehr alle Farben gleich aufgebaut sind und tatsächlich alle denkbaren Kombinationen gezeigt werden müßten.

Für die Wahrscheinlichkeit, bei mehreren aufeinanderfolgenden Ereignissen mindestens einmal ein besonderes Ereignis zu beobachten, gibt es keine derart einfache Methode. Man kann sich aber behelfen, indem man sich ins Gedächtnis ruft, daß besondere Ereignisse nicht immer erfreulich sind - aus mathematischer Sicht besteht kein Unterschied in der Berechnung der Wahrscheinlichkeit, im Lotto zu gewinnen, und der, vom Blitz getroffen zu werden. Statt der Wahrscheinlichkeit, ein besonderes Ereignis zu beobachten, berechnet man die Wahrscheinlichkeit, ein Ereignis zu beobachten, das ganz und gar nicht besonders ist, und betrachtet danach die Restwahrscheinlichkeit für alles andere (also die besonderen Ereignisse). Programmierer haben wahrscheinlich die Regel verneintes UND wird zu ODER, und verneintes ODER wird zu UND im Kopf; der Vollständigkeit halber möchte ich dennoch die Vorgehensweise anhand der bisherigen Beispiele vorstellen.

Statt der Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinanderfolgenden Würfen mindestens einmal eine 4 zu würfeln, betrachte man erst die Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinanderfolgenden Würfen jeweils eine Zahl zu würfeln, die keine 4 ist. Danach konzentriere man sich auf alle übriggebliebenen Möglichkeiten. In Zahlen ausgedrückt hieße das 5/6 * 5/6 = 25/36 für die Möglichkeit des Ausbleibens der 4, 1 - 25/36 = 11/36 für die Möglichkeit, in einem der beiden Würfe eine 4 zu würfeln. Zur Anschaulichkeit:


Die Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinanderfolgenden Versuchen aus einem Skatspiel mindestens einmal ein As zu ziehen, wenn man die erste Karte zurücksteckt, ermittelt man analog dazu auf dem Umweg über die Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinanderfolgenden Versuchen jeweils eine Karte zu ziehen, die kein As ist, und betrachtet die Restmenge; in Zahlen ausgedrückt: 1 - (7/8 * 7/8) = 15/64. Auch hier zur Anschaulichkeit:

Es verbleibt nur noch die Wahrscheinlichkeit, bei zwei aufeinanderfolgenden Versuchen ohne Rückgabe aus einem Skatspiel mindestens einmal ein As zu ziehen. Die Chance, im ersten Versuch kein As zu erhalten, beträgt wie beim Ziehen mit Rückgabe 7/8. Diesmal muß der Versuch abgebrochen werden, wenn sich diese Karte als As herausstellt; andernfalls bleiben 31 Karten mit nach wie vor 4 Assen (anders ausgedrückt: 31 Karten, von denen 27 kein As sind). Die Gesamtwahrscheinlichkeit beträgt also 1 - (7/8 * (31-4)/31) = 59/248 (also geringfügig wahrscheinlicher als beim Versuch mit Rückgabe). Auch hier verzichte ich auf eine graphische Darstellung, die der Vielzahl der Möglichkeiten wegen wohl kaum der Anschaulichkeit dienen könnte.



1 In der Praxis ist diese Forderung oft unerfüllbar; man begegnet ihr dann in der Regel durch Setzen einer unteren und oberen Schranke und durch Quantisierung. Will man beispielsweise die Frage Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Zug um 12:34 genau pünktlich ankommt? beantworten, wird man alle Zeitpunkte, die erheblich vor 12:34 liegen, ausschließen (das wäre dann ja nicht mehr der Zug um 12:34), alle, die erheblich nach 12:34 liegen, ebenfalls (denn dann wäre die Frage des Zuspätkommens ja entschieden), und den Zeitraum zwischen 12:34 (vielleicht auch schon ein paar Augenblicke davor) und 12:35 als pünktlich definieren. Sekunden oder noch kleinere Zeiteinheiten werden aus praktischen Gründen einfach ignoriert.  ↑ 

2 Ungleichverteilungen, sofern ihr Verhältnis bekannt ist, können natürlich auch berechnet werden. Problematischer sind die Fälle, in denen man eine Gleichverteilung annimmt, aber eigentlich gar nicht weiß, ob sie vorliegt.  ↑